Montag, 26. Januar 2009

Interview Marie-Flore


Interview: Marie-Flore

Ort: Ein Café in der Nähe des Bahnhofs St. Lazare in Paris

Datum: 15.12.2008
Anwesend: Marie-Flore und Oliver Peel vom Konzerttagebuch


Um die Atmosphäre etwas aufzulockern, erzähle ich ihr erst einmal, daß ich aufzeichne und wen ich vorher schon so für das Konzerttagebuch befragt habe...

So, ich werde das Ganze jetzt mal aufnehmen, damit ich das Band später in Ruhe abhören kann. Bist Du damit einverstanden?


Marie Flore: Klar, kein Problem. Rede ich auch laut genug?

Ja, ja sicher! Das kleine Ding hat sich bewährt, damit habe ich unter anderem auch das Gespräch mit der Sängerin Alina Simone aufgenommen. Kennst Du sie?


M-F: Vom Namen her...

Das ist eine amerikanische Folksängerin aus Brooklyn mit russischen (genauer gesagt ukrainischen) Wurzeln, die dieses Jahr schon in der Pariser Java gespielt hat. Sie hat ein Album mit Coverversionen von Yanka Dyagileva, einer Punksängerin aus der Glasnostära aufgenommen, das ist eine sehr spannende Geschichte!


M- F: Oh ja!

Sie hat dieses Jahr auch schon im Parc von La Villette in einem Glaskasten (!) gespielt. Ein kurioses Konzert! Die Zuschauer saßen auf der Wiese und haben das Ganze mit Kopfhörern verfogt, während Alina alleine in ihrem "Käfig" auf der Gitarre spielte und sang.

M- F: Das ist ungewöhnlich. War sicherlich lustig!

In der Tat! Hast Du denn selbst schon Konzerte an außergewöhnlichen Orten gegeben?

M-F: Hmm, abgesehen von Konzerten in Privatwohnungen (meine Frage: "willst Du nicht bei mir mal spielen?", blieb offen...) war das bisher eher klassisch.

Würdest Du denn gerne mal eine Session mit der berühmten Blogothèque drehen?

M-F: Ja würde ich. Zwar gibt es inzwischen schon viele Blogs, die so etwas anbieten, aber das wäre ein guter Kompromiss und bestimmt ämusant.

Ansonsten gibt es ja auch diese sog. Lavomatik-Sessions*, wo Künstler - meistens Folkacts - vor sich drehenden Wäscheschleudern spielen, während ahnunglose Kunden rein-und rauslatschen...

MF: Haha. Ich glaube das kenne ich. Cocoon (Anmerkung: eine erfolgreiche Folkpop-Band aus Paris) haben so etwas auch schon gemacht, oder?

Ich weiß nicht. Ich persönlich kenne Sessions von Mariee Sioux (klick!) und Emily Jane White (hier zu bewundern!), aber ich glaube wir meinen das Gleiche...

Kommen wir zu Deinen Konzerten, die Du 2008 gegeben hast: Du bist mehrfach im Divan Du Monde aufgetreten, auch zweimal in der Maroquinerie und im Glaz'art und der Flèche d'Or warst Du ebenfalls. Sonst noch irgendwo?

MF: Hmm.... Moment mal... Ja klar! Neulich im Trabendo, als Vorgruppe von Campbell & Lanegan. Das war richtig toll! Ich habe mich selbst gut gefühlt, das Konzert genossen und war hinterher auch ziemlich zufrieden mit mir selbst. Außerdem habe ich interessante Bekanntschaften gemacht...

War das also Dein bisher bestes Konzert?

MF: Ich denke, ja.

Und was waren denn das für interessante Bekanntschaften? Hast Du Isobel Und Mark kennengelernt?

MF: Isobel nicht. Aber Mark ist hinterher zu mir gekommen und hat mir mit seiner tiefen Stimme ("Hi, I'm Mark", Marie Flore macht ihn nach, köstlich!) gesagt, daß er meine Stimme und meine Lieder mag. Er wollte mein Album kaufen, aber es gibt ja noch gar keins...

Toll! Und wenn Mark Lanegan einfach mal so vorbeikommt und Interesse bekundet, sagt das ja viel aus, da er ansonsten immer so cool und unnahbar wirkt. Aber ich schätze, daß er eigentlich trotz seiner grimmigen Erscheinung eher zahm und nett ist, oder?

M.F.: Genau! Er war sehr höflich und nett!

Kommen wir mal von den Konzerten weg und reden ein wenig über Deine Lieder. Nimmst Du zur Zeit schon Stücke für Dein künftiges Album auf?

MF: Ja. Im vergangenen August war ich in Südfrankreich und habe fünf Titel aufgenommen, die im Februar auf einer EP erscheinen werden. Seit September schreibe ich sehr intensiv an neuen Tracks und im Februar will ich dann auch zurück ins Studio, um sie aufzunehmen.

Werden denn die Lieder, die man auf deiner Myspace Seite hören kann, auf der EP enthalten sein?

MF: Nur ein einziges Lied, das man im Moment bei MySpace hören kann, wird da drauf kommen. Ein paar Songs werden wohl nicht veröffentlicht werden, aber Empty Walls, Half Past Three und und Trapdoor sind gesetzt, die kommen wohl ziemlich sicher auf mein erstes richtiges Album. Allerdings handelt es bei den Versionen auf MySpace eher um Demos, die werden noch überarbeitet werden..

Demos? Ich finde die Sachen hören sich schon ziemlich ausgereift an, man kann manchmal ein Banjo hören und auf dem Song Dizzy gibt es sogar heulende Gitarren!

MF: Lacht. Ha, ja Dizzy ist Rock'n Roll!

Du hast bisher noch nie mit einer Band gespielt. Wirst Du denn 2009 Deine Lieder in Begleitung zusätzlicher Musiker performen?

MF: Ja, ich denke schon. Ich arbeite seit geraumer Zeit mit einem Schlagzeuger zusammen und vielleicht kommt auch noch ein Pianist hinzu. Aber das muß reifen und braucht Zeit, ich möchte, daß das Ergebnis gut wird und mir gefällt. Die klassische Konstellation: Gitarre - Bass- Schlagzeug interessiert mich nicht, das ist mir zu langweilig.

Also wird die ganze Sache dann deutlich experimenteller werden?

MF: Zumindest ein wenig. Ich möchte auch ein paar ungewöhnliche Instrumente haben. Bei Konzerten mit der oben beschriebenen klassischen Konstellation langweile ich mich schnell, das möchte ich für mich nicht.

Aha, dann sieht man dich 2009 also endlich mal mit anderen Musikern auf der Bühne?

MF: Ja! Zumindest der Schlagzeuger ist fest eingeplant, der fügt meinem Sound wirklich eine neue Komponente hinzu.

Und der Bursche, der auf Empty Walls singt? Wer ist das? Gehört er auch zum Team dazu?

MF: Ha, ich liebe seine Stimme! Er ist Australier, heißt Michael Noga und ist Drummer der Band The Drones. Es war aber wohl nur eine einmalige Zusammenarbeit, er wohnt so weit weg... (Anmerkung: Die Drones haben 2007 beim Haldern Pop Festival in Deuschland gespielt. Auf ihrer MySpace Seite gibt es zahlreiche Videos von den dort performten Songs!)


Kommen wir mal zu einem anderen Aspekt. Nach Deinem Konzert in der Maroquinerie im Vorprogramm von den New Pornographers ist mir beim Surfen im Netz aufgefallen, daß es schon einen richtigen Videoclip von Dir gab. Inzwischen habe ich auch Gautier kennengelernt, der die Sache gedreht hat. Ich finde das ganz erstaunlich, es gab noch kein einziges Lied von dir auf dem Markt, aber schon einen (inwischen sind es sogar zwei) Videoclip zu Empty Walls . Wie kam es dazu? (Clip hier!!)

MF: Gautier hat mir schon in einem ganz frühen Stadium- ich hatte gerade erst angefangen, Musik zu machen - vorgeschlagen, einen Clip zu drehen. Anfänglich war ich dazu noch nicht bereit. Etwas später dann haben wir aber das Projekt in die Tat umgesetzt, weil ich mich sehr gut mit Gautier verstehe und wir auch auf ästhetischer Ebene harmonieren, wir haben einen ähnlichen Geschmack. Außerdem finde ich es immer interessant, Musik mit Bildern zu unterlegen.

Mir gefällt insbesondere dein aktueller Videoclip zu Trapdoor. (Clip hier!!) Die Sache vermittelt die charmante Atmosphäre eines Indie-Films, vor allem wegen des alten Wohnwagens. Auch die zerklüftete Felslandschaft ist beeindruckend. Wo habt ihr gedreht?

MF: Wir haben ganz im Norden Frankreichs gedreht. Wir suchten eine Landschaft, die amerikanisch wirken sollte, mit diesen alten, verlassenen Campingwagen, der weiten Landschaft und so weiter. Irgendwann sind wir fündig geworden und für zwei Tage nach Nordfrankreich gefahren, um zu drehen. Auch der Fotograf Stéphane war klasse. Diese ganze Atmosphäre, die an ein Road-Movie erinnert, hat mir sehr zugesagt.

Und die kleine Geschichte? Ist das eine Lovestory?

MF: Nicht unbedingt, denn Trapdoor ist ja eigentlich kein Lovesong. Das Ende des Videoclips bleibt bewußt offen, damit sich jeder seine eigene Interpretation ausdenken kann. Es geht in erster Linie um eine bestimmte Atmosphäre und nicht eine konkrete Aussage.

Kommen wir zurück zu Deinen Liedern. Du hast doch mit Gregg Foreman (Anmerkung: Pianist der Dirty Delta Blues Band, die Cat Power 2007 und 2008 bei Liveauftritten begleitet hat) in den USA zusammengearbeitet. Wie ist das gelaufen?

MF: Sehr gut! Zusammen mit Gregg haben wir in Philadelpia fünf schöne Songs aufgenommen, die er geschrieben hat. Er spielt auch Gitarre, ist eigentlich Multiinstrumentalist. Ich habe den Stücken meine Stimme gegeben.

Wie kam dieser außergewöhnliche Kontakt eigentlich zustande?

MF: Eine Kalfiornierin hat meine Songs im Netz entdeckt und Gregg daraufhin angeschrieben. Der schickte mir prompt eine Mail und sagte, daß er mich treffen wolle, wenn er in Paris sei! Da Gregg zusammen mit Cat Power im Olympia auftrat, kam es dann wirklich zu diesem Treffen! Wir haben uns auf Anhieb gut verstanden und ich bin dann auch noch zu dem Konzert von Cat Power und der Dirty Delta Blues Band nach Lyon mitgereist. So hatten wir zwei Tage, um uns auszutauschen und schließlich bin ich dann ein paar Monate später nach Philadelphia geflogen. Voilà! Eine tolle Erfahrung, ganz klar!

In der französischen Presse vergleicht man Dich ja auch schon oft mit Cat Power. In dem kleinen Programmheft des Divan Du Monde, wo Du mehrfach aufgetreten bist, zum Beispiel. Was denkst Du darüber?

MF: Das ist zum einen schmeichelhaft, weil Chan Marschall wirklich sehr schöne Songs schreibt, andererseits aber auch ein wenig störend, weil ich sie und ihre Musik eigentlich erst sehr spät entdeckt habe. Sie ist kein direkter Einfluß für mich, ich habe da andere, zumeist männliche, Referenzen. Ist auch immer ein wenig vereinfachend solche Vergleiche anzustellen, nur weil ich auch ein Mädchen bin, Gitarre spiele und einen Pony trage. Nein, ich gehe meinen eigenen Weg!

Gibt es aber trotzdem gewisse Einflüsse. Folkkünstler, die dich inspiriert haben?

MF: Ach weißt Du, Folk mache ich eigentlich nur aus Materialmangel, das war nicht unbedingt eine Sache, die ich mir so ausgewählt habe. Wie fast jeder, habe ich eben auch lediglich mit einer Gitarre und meiner Stimme angefangen. Ansonsten habe ich aber natürlich durch die Plattensammlung meiner Eltern bestimmte Künstler schon früh kennengelernt. Ich bin aufgewachsen mit Musik von den Beatles, Simon & Garfunkel, Joan Baez und Woody Guthrie.

A propos Joan Baez. Von ihr gibt es ein Lied mit dem Titel Marie Flore. Haben Deinen Eltern Dir deshalb den Namen gegeben?

MF: Ja, das stimmt! Und ich habe sogar die echte Marie-Flore kennengelernt, sie hat mir auch geschrieben. Als Joan Baez im Oktober ein Konzert im Palais des Sports in Paris gegeben hat, war Marie-Flore auch dabei. Es ist eine Freundin von Joan, eine reale Person also, keine fiktive für das Lied. Sie ist Französin, 47 Jahre alt. Wir haben uns nach dem Konzert ein wenig unterhalten. Das war schon sehr bewegend!

Und wie hatte Joan Baez damals eigentlich Marie-Flore kennengelernt?

MF: Joan Baez war auf Konzertreise in Südfrankreich unterwegs, wo Marie-Flore wohnte. Anscheinend kannten die Eltern von Marie-Flore bereits Joan Beaz. So haben sie zueinander gefunden und sind bis heute Freundinnen geblieben...

Hat Dir das Pariser Konzert von Joan Beaz denn gefallen?

MF: Ja! Sie hat es ganz alleine mit ihrer Gitarre bestritten, vor tausenden von Leuten und trotzdem hat sie die Zuschauer mit ihrem Spiel gefesselt. Es herrschte eine totale Stille. Ein bewegendes Konzert!

Hast Du denn 2008 noch andere gute Konzerte gesehen, die Dir in Erinnerung geblieben sind?

MF: The Brian Jonestown Massacre à la Cigale, das hat mich wirklich umgehauen! Seitdem bin ich Fan! Allerdings war das nicht 2008, sondern früher...

Du siehst Dir als Zuschauerin also am liebsten Rockkonzerte an?

MF: Ja, sonst wird es mir schnell langweilig. Akustische Konzerte, nur mit Gitarre und Stimme interessieren mich nur, wenn ich den jeweiligen Künstler sehr mag.

Wer interessiert dich den, wen möchtest Du mal sehen?

MF: Bat for Lashes, Black Rebel Motorcycle Club...

Auch QOTSA?

MF: Nein, die nicht. Velvet Undeground würde ich aber gerne sehen, doch das geht ja nicht mehr...

Aber Lou Reed kann man noch sehen.

MF: Stimmt. Ansonsten höre ich im Moment viele Leute, die schon tot sind. Jimi Hendrix z.B. Am Anfang mochte ich den nicht besonders, aber jetzt bin ich da richtig auf den Geschmack gekommen.

Hörst Du denn gerne richtige Hippiemusik? Fairport Convention, Judee Sill, Tim Buckley. Oder Vashti Bunjan. Kennst Du sie? Sie hat zwei Platten im Abstand von 35 Jahren gemacht, eine im Jahre 1970 und die andere 2005. Eine verrückte Geschichte, oder?

MF: Ja, tue ich! Und Vashti Bunjan? Die hat sich halt eben Zeit gelassen (lächelt)...

Magst Du denn auch französische Künstler oder Bands?

MF: Ähhemm... (lacht laut los!) Da muß ich erst einmal eine Weile überlegen...

Gainsbourg?

MF: Mag ich, ja, Abe riesiger Fan bin ich nicht.

Französischer Folk?

MF: Als junges Mädchen habe ich französische Musik gehört und auch die ersten Lieder in meiner Muttersprache geschrieben, aber inzwischen bin ich auf amerikanischen und englischen Rock umgestiegen...

Also fühlst Du dich nicht einer neuen französischen Folkszene nahe? Bands wie Syd Matters, Cocoon, oder Revolver?

MF: Syd Matters liebe ich, die sind genial! Die habe ich schon so oft gesehen, ja, eine großartige Band! Ansonsten fühle ich mich keiner Bewegung zugehörig. Ich mache nur Musik, das ist alles...


Kennst Du denn deutsche Bands?

MF: Ich kenne einen recht unbekannten Künstler namens Cornelius, der hat eine Band die heißt Milkwood. Ansonsten? Rammstein, hahaha!

Und Tokio Hotel?

MF: Ja, die auch, haha!

KT: Behaupten wir einfach mal, daß die aus Japan kommen...

Du hast jetzt schon oft in Frankreich gespielt. Würdest Du gerne im Ausland touren? Und hast Du schon außerhalb von Frankreich gespielt?

MF: Ich habe schon in Dänemark, England und der Schweiz performt. Und klar würde ich gerne überall in der Welt auftreten!

Gibt es denn eine Traumlocation?

MF: La Cigale! Und das Olympia, das ist ein geschichtsträchtiger, magischer Ort!

KT: Marie-Flore, herzlichen Dank für das Gespräch und viel Erfolg weiterhin!



* Es gibt wirklich viele schöne Lavomatiksessions. Zum Beispiel auch von (unbedingt angucken!):

- Pollyanna - Tristan
- Chad Van Gaalen - Molten Light
- Joan As Policewoman - Eternal Flame


 

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