Sonntag, 10. April 2011

Zoey Van Goey, Köln, 08.04.11


Interview: Zoey Van Goey
Ort: eine Bierbankgarnitur hinter dem E-Werk in Köln
Datum: 08.04.2011
Anwesend: Kim Moore (Keyboard), Matt Brennan (Schlagzeug), Michael John McCarthy (Gitarre), Adam Scott (Bass) und Claudia und Christoph vom Konzerttagebuch


Im Dezember waren wir gemeinsam beim fabelhaften Bowlie 2 Weekender in Butlins Minehead in Südengland. Ausgerichtet wurde das Jubiläumsfestival der All Tomorrow's Parties von Belle & Sebastian. Als letzte Band spielte an diesem grandiosen Wochenende Zoey Van Goey aus Glasgow. Die wundervolle Gruppe begeisterte uns mit ihrem herrlichem Indiepop restlos! Auf der Rückfahrt nach London waren wir uns sicher, daß Zoey Van Goey einer der Höhepunkte des Wochenendes waren und daß sie die perfekte Wahl als Support von Belle & Sebastian auf deren Deutschlandtour im April 2011 sein würden. Und siehe da, genauso kam es. Zumindest für Köln wurden die Zoeys als "Special Guest" verpflichtet.

Wir hatten uns für vier Uhr mit der Band vor dem E-Werk verabredet. Kurz nach vier kamen die vier Musiker zu Fuß am E-Werk an. "Entschuldigt die Verspätung, wir haben uns die Stadt angesehen, vor allem den grandiosen Dom!"

Weil es im E-Werk zu laut war - Belle & Sebastian machten gerade Soundcheck - setzten wir uns hinter dem Gebäude auf eine Bierzeltgarnitur.

Matt: hat jemand ein Wasser?
Michael: nein, ich habe nichts mitgebracht.

Wir haben aber etwas anderes mitgebracht. Ich habe im Internet gelesen, daß ihr Musik und Kuchen mögt, stimmt das?

[die Band bricht in Lachen aus. Als wir den mitgebrachten Käsekuchen auspacken, wird aus dem Lachen Jubel. Bassist Adam springt auf, als habe Schottland gerade die WM Qualifikation geschafft]

Michael: großartig!
Kim: das ist nicht wahr!
Matt: das ist das coolste Interview aller Zeiten!

Die Idee dahinter ist, daß wir euch häufiger in Köln sehen möchten...

Michael: Das macht ihr gut!

[Während wir also mit Zoey Van Goey im strahlenden Sonnenschein Kuchen essen, klären wir erst einmal eine Sache, die wir im Internet nicht finden konnten, die Herkunft des vierten Bandmitglieds Adam. Obwohl Zoey Van Goey aus Glasgow stammen, sind keine Schotten in der Band. Matt kommt aus Kanada, Michael aus Irland und Kim aus England]

Kommst Du aus Schottland, Adam?

Adam: ich bin in England geboren aber in Schottland aufgewachsen. Ich halte mich für einen Schotten, aber nicht so richtig
Michael: sind deine Eltern Schotten?
Adam: nein, Engländer

Wir haben euch beim Bowlie gesehen. Wie gefiel euch das Festival?

Matt: sehr gut!
Michael: großartig! Die Atmosphäre war so toll, alles vollkommen entspannt. Aber das Lineup war natürlich auch spektakulär. So viele ungewöhnliche Bands, so ein guter Mix! Für mich war zum Beispiel toll, Mulatu Astatke, den äthiopischen Jazzmusiker zu sehen...
Kim: großartig!
Michael: ...ihn an dem einen Abend und dann die Zombies am anderen Tag - auf der gleichen Bühne - auf der dann auch noch Franz Ferdinand gespielt haben. Eine tolle Mischung!
Matt: sehr cool! Und die Wasserrutschen waren klasse!
Adam: oh, wir haben die Wasserrutschen genossen! Erinnert ihr euch?

Ich wusste gar nicht, daß dieser Wasserpark geöffnet hatte...

Matt: der war super!

Wir haben leider nur Konzerte gesehen!

Matt: und wir waren schwimmen!
Michael: was waren denn eure Favoriten beim Bowlie?

Neben euch? Die größte Überraschung war für mich Edwyn Collins...

Kim: allerdings!

Claudia: ich kannte nur A girl like you. Hinterher kamen wir da raus und waren vollkommen begeistert. Und Edwyn ist solch ein sympathischer Mensch!

Michael: eine sehr starke Persönlichkeit, nach all dem, was er durchgemacht hat
Kim: und er ist ein toller Poet

Die Amphetameanies mochte ich sehr

Michael: Ja! Die habe ich leider verpasst
Matt: Ich habe sie auch verpasst, habe sie aber in Glasgow ein paarmal gesehen, eine tolle Band! Deren Sängerin spielt auch in einer Blondie Tribute Band namens Bleachie
Kim: großartig!

Die Amphetameanies haben in diesem komischen Reds gespielt. Wir sind zwischendurch mal an die Bar gegangen, um etwas zu essen. Da sagte die Band gerade an, daß ein zusätzlicher Gitarrist dazu käme. 'Na gut, kommt eben noch jemand.' Als dann als nächstes "This boy" von Franz Ferdinand gespielt wurde, haben wir kapiert, daß der Gitarrist Alex Kapranos war

Matt: er war ja mal reguläres Mitglied bei denen
Michael: an Alex kam man an dem Wochenende eh nicht vorbei!
Kim: der war einfach überall

Stimmt! Wir hatten fest damit gerechnet, daß er auch an der Bar Getränke verkauft... Was waren eure Highlights beim Bowlie?

Michael: Edwyn war herausragend
Kim: Mulatu...
Michael: genau! Und ich mochte die Zombies (lacht)
Adam: die haben uns allen gefallen! Wir waren gerade vorher angekommen
Matt: die Zombies waren unser Eindruck vom Festival, das war schon cool! Aber Franz Ferdinand waren auch fabelhaft!
Kim: die hatte ich vorher noch nicht gesehen

Und ich hatte sie einmal zu oft gesehen. Zumindest hatte ich eigentlich keine Lust, sie mir beim Bowlie anzusehen, wir waren dann aber trotzdem drin...
Claudia: der richtige Ort, die richtige Zeit
Sie waren toll! Was waren die besten Konzerte, die ihr außerhalb des Bowlies gesehen habt?

Kim: Yo La Tengo im vergangenen Jahr!
Michael: Oh ja! Yo La Tengo!
Matt: Wir sind große Yo La Tengo Fans - auch von Wilco! Wilco habe ich 2010 gesehen, das war irre! Das sind zwei der besten Livebands, denke ich.

Kennt ihr das Seitenprojekt von Yo La Tengo, mit dem sie Surferrock spielen? Mir fällt der Name nicht ein...

Michael: sind das die Condo Fucks?

Genau! Die habe ich bei einem Festival gesehen, das war sehr komisch, weil da Yo La Tengo vollkommen andere Musik gespielt haben und das Publikum dachte, daß das die normale Musik dieser Surferband wäre. Ich hätte mir das niemals angesehen, wenn mir nicht ein Freund erzählt hätte, wer die Condo Fucks sind...

Michael: skurril! Auf der aktuellen Tour, auf der sie auch nach Schottland kommen, drehen Yo La Tengo am Anfang des Abends an einem Glücksrad. Das was da rauskommt, diktiert, wie die erste Hälfte des Sets aussehen wird. Da gibt es dann Sachen wie "spielt nur Lieder, die mit S anfangen" oder "spielt nur Condo Fucks Songs" oder "spielt eine Folge Seinfeld nach", das machen sie dann wirklich. In den USA hat das Publikum sie ausgebuht, als Seinfeld gewählt wurde und Yo La Tengo wirklich eine Folge Seinfeld nachgespielt haben. Ich liebe die Idee!
Kim: man merkt, daß sie Spaß an dem haben, was sie machen
Michael: so etwas sollten wir auch machen

Claudia: dann stellt doch heute ein Glücksrad auf!

Kim: genau! Wir machen ein Käsekuchenrad...
Adam: yeah!
Kim: .. und da muß man sich durchessen, um die Kategorie zu sehen
Michael: wie bei den Flaming Lips! Habt ihr vom kommenden Album von denen gehört?

Nein!

Michael: das wird auf einem USB Stick erscheinen, der in einem Schädel stecken, einem Schädel aus Gummibärchenmaterial. Du mußt also erst den Schädel essen, dann ein Gummihirn, das da drin ist, um an die Musik zu kommen.
Matt: kaufst du die?
Michael: nein! Obwohl die Musik natürlich sicher fabelhaft ist!
Adam: das wird wohl ein Jam Album...
Matt: beurteile ein Buch nie nach seinem Cover. Wobei...
Adam: ach, wir reden ganz schön gehässig über andere Bands!

Reden wir über euch. Hattet ihr schon mal richtig schlimme Auftritte?

Matt: der Auftritt, der mir sofort in den Sinn kommt, war bei einem Festival in einem Park in Glasgow, gemeinsam mit einigen anderen lokalen Bands. Es lief auch anfangs ganz gut, obwohl nicht schrecklich viele Leute da waren.
Michael: kennt ihr den Song Sweethearts in disguise? Da gibt es eine Stelle, an der Kim ein paar sehr tiefe Töne spielt
Matt: das soll beim Hören so ein Grummeln im Bauch erzeugen, das ist eben eine Menge Bass. Bei diesem Konzert...
Michael: Adam kann das gut nachmachen! Kim spielte also diesen Ton und die gesamte PA machte...

[Adam erzeugt ein eklig hohes Quietschgeräusch]: weeeeeee!

Adam: und dann fiel die Anlage aus!
Michael: ja, wir haben die PA zerstört
Matt: das war nicht so gut; nach gerade mal drei Liedern
Michael: ... bei einem Familienfestival...
Matt: ... das wir ruiniert haben
Kim: nach uns sollten noch einige Bands spielen, die sich extrem auf ihre Auftritte gefreut hatten
Matt: da waren so viele Kinder im Publikum, die einen besonderen Tag erleben wollten, und wir haben den versaut!
Adam: und da waren viele Hunde. Weeeeeee! Irgendwann haben sie die Anlage wieder hinbekommen...
Matt: aber uns haben sie nicht mehr spielen lassen...

Habt ihr für heute abend ähnliche Pläne? Ich bringe nämlich meinen kleinen Neffen mit, für den soll es auch ein besonderer Tag sein

Matt lacht: wir machen das nicht noch einmal!
Michael: wir bemühen uns zumindest

Ist das euer erstes Mal in Deutschland?

Matt: ja!
Michael: du warst mal in Berlin, oder?
Matt: ja, im Urlaub. Aber als Band ist das Premiere
Michael: ich war noch nie hier
Adam: ich auch nicht
Kim: vor Jahren war ich mal mit meinem Vater und einem Orchester hier aber ich erinnere mich kaum noch. Als wir über den Rhein gefahren sind, fiel mir ein, daß ich schon mal hier war

Was waren die besten Orte, an denen ihr bisher gespielt habt?

Kim: Den Haag war besonders
Matt: das war unser einziges Konzert außerhalb Großbritanniens bisher - außer Dublin
Kim: wir haben in Den Haag in einer Kirche gespielt
Michael: in der Lutherse Kerk, beim Walk The Line Festival
Matt: vor uns spielte Harper Simon, der Sohn von Paul Simon. Der sah exakt so aus wie Paul Simon und klang auch exakt so! Die Chapin Sisters, Harry Chapins Nichten, waren Background Sängerinnen
Michael: das war an Adams Geburtstag
Matt: als wir das erwähnt haben, hat das Publikum Happy Birthday gesungen, aber in einer komischen Version
Michael: das war wohl die niederländische Version. Und am Ende machte das Publikum plötzlich die Welle und rief

[alle vier brüllen]: hipdibidib hurraaa!

Michael: dann haben wir auf der Insel Mull gespielt, in Tobernay. Mull liegt vor der schottischen Westküste. Das Konzert war wundervoll, der Saal fasste 60, vielleicht 75 Leute
Kim: und das Bowlie war natürlich besonders!
Matt: nach den Beatles auftreten zu dürfen... [Zoey Van Goey spielten da nach Them Beatles, der wohl besten und originalgetreuesten Coverband]
Adam: wir haben deren Schnurrbärte gesehen, oder?
Matt: ja, backstage. Oh mein Gott, wir waren backstage bei den Beatles!
Kim: sie hatten in der Garderobe kleine Schnurrbärte auf Pappe aufgeklebt, darunter standen die Namen zum Bart

Wo würdet ihr gerne einmal spielen?

Michael: diese kleine Tour ist schon ein Traum, der in Erfüllung geht
Matt: wir würden gerne mehr in Europa touren...
Michael: ... das ist aber schwierig, vor allem teuer. Also ist es eine großartige Gelegenheit, die Stuart Murdoch und Belle & Sebastian uns bieten. Für mich als Musiker ist es traumhaft, so an Orte zu kommen, die ich sonst nie sehen würde. Hier in Köln zu sein, ein Konzert zu spielen und die Gelegenheit zu haben, den Dom zu sehen, das ist toll!
Kim: und Leute zu treffen, mit denen wir Kuchen essen!
Adam: yeah!
Michael: ich war auch noch nie in Paris. Wenn man mir vor einem Jahr gesagt hätte, daß unsere erste Europatour so aussieht, hätte ich das nicht geglaubt

Den Traum, mit Belle & Sebastian zu spielen, habt ihr euch also erfüllt. Gibt es andere Traumkonstellationen? Irgendwelche Musiker, mit denen ihr arbeiten wollt? Wobei das eine blöde Frage ist, weil ihr ja schon mit vielen coolen Menschen bei euren Platten zusammen gearbeitet habt

Adam: gehen auch uncoole Leute?
Michael: wir sollten erwähnen, daß Adam zum Teil auch ganz andere Bands mag

Kiss, oder?

Adam: ganz genau!
Michael: also Gene Simmons?
Adam [nickt]: der ist ziemlich uncool!

[Matt geht kurz ins E-Werk, um den Bühnenaufbau zu kontrollieren]

Spielt ihr auch mit Belle & Sebastian in München?

Michael: nein, nur die kommenden drei Shows, Rotterdam, Brüssel und Paris
Adam: und dann geht es zurück ins verregnete Glasgow

A propos Glasgow, es ist irre, wie viele Bands von da kommen. Woran liegt das?

Adam: Glasgow ist eine große Stadt, fühlt sich aber nicht groß an. Viele Musiker kennen sich...
Kim: ... und spielen in den Bands der anderen
Michael: es gibt nicht furchtbar viele Leute, die Musik machen, aber die Leute machen viel Musik, falls das Sinn macht
Adam: mir fiel neulich noch ein Grund ein. Ich unterrichte ein wenig Musik an der Universität. Neulich hat ein Student die These vertreten, daß es so ein Glasgow-Gefühl gibt. "Wir sind in Glasgow, wir brauchen die Leute aus London nicht!" Das motiviert die Menschen in Glasgow

Auf dem Bowlie...

Michael: Glasgow geht aus!
Adam: für uns war das wie in Glasgow - nur woanders. Wir haben die gleichen Leute gesehen - Bands und Zuschauer!

[Matt kommt zurück]

Matt: sieht gut aus
Kim: Keyboard?
Matt: ja!
Kim: sehr gut! Wir sind geflogen und konnten daher nicht viel Equipment mitbringen. Belle & Sebastian helfen uns aus. Es ist aber immer beruhigend, wenn dann wirklich alles klappt!
Matt: wir haben noch nie eine solche Tour gemacht. Wir haben keine Ahnung, was wir machen!
Michael: viele Bands haben tolle Taschen und Boxen für ihre Instrumente und ihr Equipment. Wenn wir in Schottland spielen, transportieren wir das meiste in Einkaufstüten

[Ich hebe meine Einkaufstasche hoch]

Matt: genau! Das ist unser Case!
Michael: wir sind immer noch überrascht, daß wir es bis hierher geschafft haben!

Also müsst ihr keine Toy Instruments benutzen?*

Michael: nein, am nächsten kommt da unser Casio Keyboard, ein Casio PT 30. Das haben wir von einem Freund von Matt bekommen, der darauf als Kind gespielt hat. Das war unser erstes Instrument
Kim: als wir angefangen haben, hatten wir ein Schlagzeug, eine akustische Gitarre und das Casio Keyboard
Michael: Foxtrot vandals, unser erstes Lied, haben wir darauf geschrieben. Es hat einen kleinen Knopf, um die Akkorde zu speichern. [er singt] "C - F - G - F"
Adam: ihr hört das nachher!

Claudia: kennt ihr deutsche Bands?

Michael: ich habe darüber nachgedacht. Weil wir morgen mit dem Zug weiterfahren, habe ich Trans Europa Express von Kraftwerk mitgebracht. Kraftwerk ist die deutsche Band, die ich am besten kenne, muß ich gestehen. Ach, natürlich, die Krautrock-Bands! Neu oder Can! Paul Savage [Ex-Delgados], der unsere Alben produziert hat, ist riesiger Can Fan
Matt: er trinkt seinen Kaffee aus einer Can Tasse
Michael: könnt ihr uns denn aktuelle deutsche Bands empfehlen?

Claudia: das ist nicht leicht, weil bei denen meist die Texte sehr wichtig sind, und wenn man die nicht versteht, weiß ich nicht, ob die gut sind

Michael: vielleicht könnt ihr uns helfen. Wir haben vorhin im Hostel einen Song gehört, in dem es um Che Guevara, Teenage Fanclub und Iron Maiden ging

Das ist ein Lied von Locas In Love, einer Kölner Band
Claudia: Get Well Soon sind aus Deutschland...

Michael: Get Well Soon sind Deutsche? Das wußte ich nicht!
Matt: ... und Neon Golden...?
Michael: The Notwist, natürlich! City Slang sind ein tolles Label. Ich habe immer viele Bands gehört, die da sind. Wir haben City Slang mal ein Demolied geschickt, sie haben es aber wohl nicht gemocht...


* Zoey Van Goey haben in einem Interview einmal gesagt, daß sie ein Plastiksaxophon besitzen, das sie zu gerne einmal musikalisch einbauen würden




 

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