Sonntag, 22. April 2012

Warpaint, Haldern, 13.08.11


Interview: Warpaint
Ort: Haldern Pop Festival
Datum: 13.08.2011
Anwesend: Stella Mozgawa (Schlagzeug) und Christoph und Oliver vom Konzerttagebuch


Puh, das war eine schwere Geburt. Im zweiten Anlauf hatte es mit einem Interview mit Warpaint funktioniert. Spätestens seit ich die Amerikanerinnen in Brüssel als Vorgruppe 2 1/2 Lieder lang gesehen hatte, bin ich ihrer Musik hoffnungslos verfallen. Höchste Zeit, ihnen das einmal persönlich mitzuteilen.

Das Interview in Haldern gestaltete sich komplizierter als gedacht. Der Termin war für 17 Uhr bestätigt und ich am verabredeten Ort - die Band allerdings nicht. Meine Versuche, die Tourmanagerin zu erreichen, scheiterten an der Mailbox. Irgendwann kam eine sms der Tourmanagerin, daß sie gerade erst gelandet seien und keine Interviewtermine eingeplant hätten, sie werde aber etwas organisieren. Und das funktionierte dann auch. Um neun trafen wir Stella Mozgawa, die Schlagzeugerin der Band, die trotz des kurzfristigenTermins so kurz vor dem Auftritt (um 22.10 Uhr gingen Warpaint dann im brechend vollen Zelt auf die Bühne) erstaunlich entspannt wirkte - ein wenig kalifornische Sonne im Dauerregen von Haldern.

Ich sprach Stella zunächst auf mein letztes Warpaint-Konzert in der Kölner KulturKirche an.

Stella Mozgawa: Wir hatten an dem Tag so viel Spaß! Wir waren in einem Day Spa.

Wie fandet ihr die Kirche als Auftrittsort? Hat euch das gefallen?

Ja, sehr! Es war anders, einzigartig. Als Band spielst du nicht oft außerhalb eines normalen Venues. Das fühlt sich vollkommen anders an und ist sehr cool.

Habt ihr an ähnlichen Orten gespielt?

Ja, in diesem Fort Canning Park in Singapur, während des Laneway Festivals, das in Australien, Neuseeland und Singapur stattfindet. Wir haben da vor einem riesigen parlamentsähnlichen Gebäude gespielt.
Ansonsten sind wir in vielen Pubs aufgetreten, die aus verschiedenen Gründen ungewöhnlich waren. Aber es war definitiv das erste Mal, daß wir in einer Kirche gespielt haben, und es war wundervoll!

Wie gefiel euch das Primavera Festival in Barcelona? Die Szenerie war toll...

Wir hatten so viel Spaß! Ein großartiges Festival!

Ihr habt früh gespielt. Aber es waren so viele Menschen da und die waren restlos begeistert!

Oh, ich erinnere mich sehr gerne an diesen Auftritt, das war toll!

Für mich war das das beste Konzert auf dem Primavera Festival.

Ernsthaft? Wie fandest du denn PJ Harvey?

Die habe ich verpasst.

Sie war wirklich gut.

Mir ist in Köln aufgefallen, daß ihr eure Songs jetzt anders spielt, abgewandelte Versionen, die Lieder länger sind und oft andere Elemente haben. Ist das neu?

Wir haben immer schon den Wunsch, das live zu tun. Es hängt natürlich von den Umständen ab. Köln war unsere eigene Show, da hatten wir mehr Zeit, können unsere Flügel etwas mehr austrecken. Wenn uns danach ist und wir die Möglichkeit haben, machen wir das sehr gerne. Es gehört zu unserer Bandpolitik, auf der Bühne zu experimentieren, sodaß es sich nicht so anfühlt, als passierten immer wieder die gleichen Dinge - weder für uns noch für die Leute, die uns eventuell zwei- oder dreimal sehen. Damit die nicht sagen können, wir wissen, was jetzt passiert, wie die Setlist aussehen wird, welcher Song jetzt kommt. Das ist uns wichtig, und es ist auch gut für uns. Auf Tour haben wir nicht unbedingt die Gelegenheit, viel zu schreiben, also nutzen wir die Bühne auch, uns gegenseitig musikalisch auszutauschen, auf diese spontane, fast improvisierte Weise.

Diese längeren Liveversionen haben einen schönen Nebeneffekt. Als ich euch 2011 in Frankfurt gesehen habe, habt ihr für eine junge Band - ihr seid zwar keine Newcomer, hattet da aber gerade erst das Debütalbum veröffentlicht - erstaunlich lange gespielt. Normalerweise dauern Konzerte einer Band auf der ersten Tour in Deutschland 40 Minuten, bei euch mehr als eine Stunde!

Wir mögen es, es in die Länge zu ziehen.

Aber das ist eben außergewöhnlich.

Wenn uns nicht danach ist, spielen wir auch nicht so lange. Aber wenn wir Lust haben, und es unsere eigene Show ist, kann uns auch niemand hindern, lange zu spielen. Und wir haben schließlich eine Menge Songs, das Album, die EP, einige neue Stücke, dann gibt es von allen Liedern diese langen Versionen, über die wir gesprochen haben. Eine Stunde ist für uns einfach zu füllen. Bei Festivals ist das natürlich anders. Da haben wir weniger Zeit. Heute spielen wir 45 Minuten.

Mein Liebling ist zur Zeit Billie Holiday. Spielt ihr das noch?

Ja, immer mal wieder. Es ist Teil unseres Sets, allerdings kein fester, es gehört also nicht zu den Stücken, die wir unbedingt spielen, wie die Lieder, die die Leute zum Beispiel bei Festivals erwarten. Billie Holiday ist nicht das richtige Stück für Festivals, weil es sehr ruhig ist. Wir können es live nicht wie auf Platte spielen, weil wir da kein Mellotron haben; nur Gesang, Gitarre und Drums, sonst nichts. Es muß schon die richtige Gelegenheit dafür sein, solch einen reduzierten Song zu performen.


Ich habe es glücklicherweise schon ein paarmal live gesehen.
Als ihr für Haldern bestätigt wurdet, wurde das im Forum des Festivals extrem positiv aufgenommen. Ich hatte das Gefühl, daß alle extrem hinterher waren, euch zu sehen. Dann wurdet ihr aber im Zelt und nicht auf der Hauptbühne angesetzt. Kennst du den Grund dafür?

Nein, den kenne ich nicht. Das ist eine Entscheidung der Festivalmacher. Wir stellen keine Ansprüche daran, wo genau wir spielen, wir sind glücklich, überhaupt gebucht zu werden. Wir sind ja nicht U2 oder so, und wir sind nicht in der Position zu bestimmen, wann und wo wir spielen. Es ist eine Lotterie.Wir sind glücklich über die Auftrittszeit, so etwas erfahren wir aber erst kurz vorher, auch die Zuschauerzahl eines Konzerts übrigens. Gestern haben wir in Helsinki in einem großen Zelt gespielt, das wussten wir vorher auch nicht. Heute hatten wir keine Ahnung, das wir in solch einem Holzzelt spielen.

Das fasst leider nur 800 Zuschauer.

Oh, dann wird es eng. Wir hätten natürlich liebend gerne auf der Hauptbühne gespielt aber es war definitiv nicht unser Wunsch, nicht da aufzutreten, ich hätte das gerne gemacht. Aber ein intimerer Rahmen ist auch schön. Drinnen haben wir auf Festivals noch nie gespielt, in großen Zelten schon, aber nicht in dieser Art, die innen an einen Club erinnert, das wird interessant.

Wo wart ihr in Glastonbury angesetzt?

Wir haben auf der John Peel Stage und der Parkstage gespielt, auf der normalerweise auch ein geheimer special act auftritt. An den zwei Tagen, die wir in Glasto verbracht haben, waren Pulp und Radiohead die Geheimgäste. Für Radiohead war es die einzige Show in Glasto, und wir sind am gleichen Tag auf der gleichen Bühne aufgetreten, das war sehr aufregend!

Stellt ihr Unterschiede zwischen amerikanischen und europäischen Festivals fest?

Ja! Selbst bei den amerikanischen Dreitagesfestivals wie Coachella gibt es kein Camping. Camping ist ein australisches und europäisches Ding! Das Publikum unterscheidet sich weniger von Land zu Land als eher zwischen kleinen und großen Veranstaltungen. Das hier ist natürlich ganz anders als Glastonbury, wobei das Wetter ähnlich ist! Ich hätte besser meine richtigen Stiefel mitgenommen.
Es gibt wohl keine kulturellen Unterschiede beim Publikum, die würden wir aber auch nicht richtig bemerken, da wir leider nie lange bleiben.

Du hast Radiohead erwähnt. Was hört ihr im Tourbus?

Ach, das ist komplett unterschiedlich, da gibt es keine feste Linie. Wir hören elektronische Musik, aber auch mal Hiphop. Alte Sachen, neue Bands.

Neue Bands werden oft durch Referenzgruppen beschrieben. Bei Warpaint habe ich damit große Probleme.

Das ist gut!

Absolut!

Das ist interessant, weil wir definitiv nicht versuchen, irgendeinem Stil zu entsprechen. Es ist Sache der anderen, zu entscheiden, an was wir sie erinnern. Viele Leute sind glücklich über solche Vergleiche. Dieser Song oder diese Stimmung oder ihr Aussehen gleicht dieser anderen Band, die ich so mag... Wir möchten nicht bewußt wie niemand anderes klingen. Wir möchten einfach wie wir klingen. Das ist kein Snobismus.

Habt ihr die Chance, andere Bands bei Festivals zu sehen?

Hängt natürlich davon ab, wie lange wir da sind. Wir sind ja eben erst angekommen. Ich weiß nicht, wie lange es heute geht, nicht so lange, glaube ich. Also werden wir nichts sehen können. Beim Primavera und in Glasto hatten wir zwei oder drei Tage, um uns umzusehen. Wenn wir die Chance haben, natürlich! Ist doch langweilig, nur im Raum zu sitzen und zu trinken.

Erinnerst du dich an ein besonders gutes Konzert, das du in letzter Zeit gesehen hast?

James Blake!

Der hat heute gespielt.

Ich weiß, wir haben ihn aber wegen der späten Anreise verpasst. Er ist ein Freund von uns und einer der beeindruckendsten Künstler, den es gerade gibt, live und auf Platte, sehr faszinierend!
Was noch... Wir haben viel Kanye gesehen. Immer wenn der auf einen Festival auftritt, stelle ich sicher, daß ich ihn nicht verpasse. Das ist immer aufregend, ich liebe ihn! Er ist verrückt - nicht auf die Art wie Karen O, oder so. Fuck, er hat einfach so viele Hits, irre! Und er ist immer exzentrisch, redet viel, es ist immer faszinierend!

Ich habe Kanye noch nie gesehen.

Mußt du unbedingt, wenn du die Chance hast!

Ihr habt auch beim Hurricane und Southside Festival gespielt. Wie war das?

Oh, wir hatten sehr viel Spaß und haben neue Freunde gefunden! Wir haben am gleichen Tag wie Bright Eyes gespielt, sie gesehen und uns mit ihnen angefreundet. Die sind so liebenswert und interessant!

In Deutschland sind Bright Eyes sehr groß.

Dann haben wir die Foo Fighters gesehen. Wen noch...? Ich kann mich nicht erinnern. Das war so viel Spaß! Und so viel Matsch!

Wir haben einen miesen Sommer.
Letzte Band heute abend sind Explosions In The Sky...

Die haben wir in Dublin gesehen!

Sie waren auch in Barcelona beim Primavera.

Die sind sehr cool. In Deutschland sind Explosions In The Sky recht beliebt? Generell in Europa?

Ja, sind sie.
Nach eurem Konzert in der KulturKirche in Köln hat jemand gesagt, daß die letzten zehn Minuten mehr Postrock waren als Explosions In The Sky und Mogwai zusammen.

Das ist verrückt!
Wie cool! Ich weiß gar nicht mehr, was wir da gemacht haben, wir haben nur gejammt.

Das war Beetles mit dem irre langen Ende.

Ja, das Ende von Beetles...

Zehn Minuten, toll!

Yeah, das war fucking lang [kichert]. Wenn du uns gleich siehst, wirst du merken, daß das, was wir da am Ende von Beetles gemacht haben, jetzt bei Elephants passiert.

Oliver: wann kommt ihr mal wieder nach Paris? Ich habe euch in der Cigale gesehen. Ihr habt aber auch im Bataclan gespielt.

Bataclan war ein großer Spaß! Der Club ist fabelhaft! Das war unsere erste Headlineshow in Paris.

Wie gefällt dir das Botanique in Brüssel?

Sehr gut! Am Abend vor unserem Konzert haben wir Holy Fuck und Jamie Lidell gesehen. Ich bin ein bißchen zu betrunken gewesen. Wir haben da auf einem der Plätze in der Stadt gesessen und hatten zu viele Chimays. Das ist offensichtlich kein normales Bier, wenn du davon drei oder vier trinkst, bist du sturzbetrunken! Wir sind dann in die botanischen Gärten eingebrochen. Das Botanique war geöffnet, die Gärten nicht. Wir sind da in die Büsche gesprungen, und ich habe mir dabei schrecklich weh getan - aber es war so ein großer Spaß!
Alle die Orte, die du erwähnt hast, waren meine Lieblingsshows, fällt mir gerade auf! Du hast alle guten genannt!

Ich kann mir auch keine schlechten vorstellen.

Glaub' mir, wir hatten viele!

Ihr müßt gleich auf die Bühne, vielen Dank, daß du dir so kurz vorher noch Zeit genommen hast!

Tschüß!





 

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